bild zu teil - bild-zu-teil-2.jpg
Schweißtechnische Verarbeitung von Rohr für molchbare Rohrleitungen - Teil 2

Vor mehr als einem Jahr stellten wir in unserem Newsletter die Frage, welche die maximale Rohrwandstärke beim Orbitalschweißen ohne Zusatzwerkstoff sei. Damals stellten wir an Hand von Probeschweißungen an Rohren mit Wandstärken von 3,6 bis 3,9 Millimetern fest, dass sich durchaus qualitätsgerechte Orbitalschweißverbindungen an Rohrmaterial mit den genannten Wandstärken als Stumpfnähte (ohne Fase) herstellen lassen. Die Rohrwandstärke ist lediglich eine von mehreren materialbezogenen Einflussgrößen, und weitere Parameter des zu verschweißenden Rohrmaterials beeinflussen die Machbarkeit und die Qualität der Orbitalschweißverbindungen.

Ermutigt durch anfängliche Erfolge beim Orbitalschweißen von solchen etwas größeren Rohrwandstärken mit geschlossener Schweißzange - und damit ohne die Notwendigkeit aufwendiger Schweißnahtvorbereitungen, ohne den Einsatz sperriger offener Orbitalschweißzangen und ohne Zusatzwerkstoff - wurden nun Schweißversuche an Rohrleitungsmaterial gemäß DIN 2430-1 für Molchanlagen durchgeführt. Dabei handelte es sich um längsnahtgeschweißte Rohre für Druckbeanspruchungen gemäß DIN EN 10217-7 (mit besonderen Formtoleranzen in Bezug auf Rundheit und Wandstärke sowie geglätteter, nahezu bandebener Längsnahtoberfläche) aus dem Werkstoff 1.4404 (AISI 316L / UNS S31603) des Herstellers H. Butting GmbH & Co. KG, Knesebeck.
Beim Molchen von Rohrleitungen wird mittels Druckluft oder Wasser ein sogenannter Passkörper (der Molch), der elastisch an der Rohrinnenwandung anliegt, durch das Rohrleitungssystem gepresst. Dadurch können z. B. hochviskose bzw. pastöse Medien annähernd rückstandsfrei aus den Rohrleitungen entfernt werden. Einsatzbereiche für das Molchen sind u. a. die Lebensmittel-, Pharma-, Kosmetik- und Chemieindustrie.

Sowohl die Anforderungen an die Qualität des Rohrleitungsmaterials als auch die Anforderungen an die Qualität der Rundnähte sind bei molchbaren Rohrleitungen recht hoch. Zum Beispiel darf der Innendurchmesser von 107,1 Millimetern bei Rohr der Nennweite 100 (Außendurchmesser 114,3 mm x Wandstärke 3,6 mm) einschließlich Ovalität nicht mehr als 0,35 Millimeter größer oder kleiner sein, muss also zwischen 106,75 und 107,45 Millimetern betragen. Für die Rundschweißnähte bei Rohr der Nennweite 100 gilt: Maximaler Wurzeldurchhang (auf höchstens der Hälfte des Innenumfangs) 0,8 Millimeter; maximaler Wurzelrückfall von 0,3 Millimetern.
Während das Finden der optimalen Schweißparameter für die Schweißungen der Nennweite 80 schon recht anspruchsvoll und zeitintensiv war, stellten die Schweißungen des molchbaren Rohres der Nennweite 100 eine echte Herausforderung dar. Dabei galt es, die folgenden unerwünschten und unzulässigen Schweißnahtunregelmäßigkeiten zu vermeiden bzw. zu minimieren:
- zu großer Wurzeldurchhang in der Schweißposition PA (Wannenposition),
- zu großer Wurzelrückfall in der Schweißposition PE (Überkopfposition),
- vorlaufendes Schweißbad und dadurch ungenügende Durchschweißung in der Schweißposition PJ (fallend).

Diese genannten Schweißnahtunregelmäßigkeiten lassen sich u. a. auf die Wirkung der Schwerkraft zurückführen. Deshalb waren wir bestrebt, das Schweißbadvolumen zwecks besserer Beherrschbarkeit möglichst klein zu halten. Dennoch galt es, Orbitalschweißnähte herzustellen, deren Schweißnahtwurzeln eine komfortable Breite aufweisen, um das wurzelseitige Verfehlen des Schweißstoßes auch bei manchmal nicht ganz vermeidbarem Kantenversatz auszuschließen. Außerdem sollten die durch Oxidation in der wurzelseitigen Wärmeeinflusszone hervorgerufenen Verfärbungen nur minimal sein.

Eine Zeitlang schien es, als wären wir außerstande, mit geschlossener Orbitalschweißzange zufriedenstellende Schweißergebnisse an diesem Molchrohr der Nennweite 100 zu fabrizieren. Wir hatten mit Kombinationen verschiedener Schutz- und Wurzelschutzgase sowie mit etlichen Kombinationen von Stromstärken, Impulszeiten, kontinuierlichen und diskontinuierlichen Schweißgeschwindigkeiten experimentiert - die Ergebnisse entsprachen weder den Anforderungen noch unseren Vorstellungen. Daher suchten wir fachlichen Rat beim Rohrhersteller, der H. Butting GmbH & Co. KG. Deren leitende Schweißaufsichtsperson, Herr Volker Lahmann, gab uns bereitwillig und fachkompetent darüber Auskunft, dass bei der Fa. Butting Schweißverbindungen an molchbaren Rohren ab 3,6 Millimetern Wandstärke nicht als Stumpfstoß vorbereitet und nicht ohne Zusatzwerkstoff verschweißt werden würden. Stattdessen würde man dort Nahtvorbereitungen mit Y- bzw. Tulpen-Fasen herstellen und mit offener Zange und Zusatzwerkstoff schweißen.

Daraufhin begann bei uns eine weitere Testphase, in der wir uns nun bemühten, mit offener Orbitalschweißzange zufriedenstellende Schweißergebnisse an Molchrohr mit Wandstärken von 3,6 und 4,0 Millimetern herzustellen. Dabei traten Probleme auf, die wir vom Schweißen mit geschlossenen Zangen nicht kannten, und viele weitere zeitintensive Testschweißungen wurden durchgeführt. Zwar konnten wir zufriedenstellende Probeschweißungen herstellen, welche auch einem potentiellen Kunden zwecks Begutachtung zur Verfügung gestellt wurden - dennoch erwies sich das Schweißen mit offener Zange für uns als weniger praktikabel und eine aufwendigere Schweißnahtvorbereitung als der Stumpfstoß erschien von vornherein unwirtschaftlich. Außerdem sahen wir uns außerstande, in relativ kurzer Zeit ein umfassendes Know-how im Umgang mit offener Orbitalschweißzange plus Drahtzufuhr zu erwerben - Orbitalschweißtechnik mit der wir bisher noch nicht gearbeitet hatten. Die Schwerkraft ließ nicht mit sich verhandeln. Und wir standen wieder am Anfang...